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Weltmeisterlich unterwegs in Sepp Herbergers Opel Rekord B (1966)

Der Lückenfüller hat inzwischen 60 Jahre auf seinem eleganten Buckel

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"Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten", antwortete Fußballnationaltrainer Sepp Herberger in einer Pressekonferenz zur Weltmeisterschaft 1954 salopp auf die Frage zur Herangehensweise der deutschen Elf im Turnier. Wenn wir dem Film "Das Wunder von Bern" von Sönke Wortmann glauben schenken wollen, hat der Mannheimer einen seiner bekanntesten Sprüche sogar von einer schweizerischen Hotelreinigungskraft geklaut.

Ob dem wirklich so ist? Nun ja, Hörensagen ... aber Mythen und Sagen kräftigen bekanntlich Heldenreisen, wie sie die damalige deutsche Nationalmannschaft hingelegt hat. Wollen wir gar nicht dran rütteln. Legen wir also dieses Kapitel zu den Akten. Reden wir lieber von etwas Greifbarem. Einem Stück Automobilgeschichte vielleicht? Wir sind dieses gute Stück gefahren - auf der Oldtimerfahrt Hessen-Thüringen Ende Mai 2025. Sepp Herbergers letztes Auto: Einen Opel Rekord B von 1966. 

Unterwegs mit Sepp Herbergers Opel Rekord B (1966)

Der Weltmeistertrainer von 1954 hat am 8. Februar 1966 im Autohaus Sporer in Weinheim genau diesen Opel Rekord B gekauft. Zwei Jahre nach seinem Rücktritt als National-Coach also und elf Jahre vor seinem Tod. Eine tundragrüne viertürige Limousine für stolze 9564,50 Mark (die 50 Pfennig waren dem Autohaus offenbar sehr wichtig). Inflationsbereinigt sind das immer noch zum Weinen günstige 21.615,77 Euro - für eine Mittelklasse-Limousine ... eieiei! Logisch, dass ein ehemaliger Nationaltrainer und Diplom-Sportlehrer das in bar bezahlt.

Kurze Lebensdauer

Der Opel Rekord B ist eine leicht modernisierte Variante des Opel Rekord A und soll die Zeit bis zum Erscheinen des Rekord C überbrücken. Somit wird der B auch lediglich von August 1965 bis Juni 1966 angeboten. Heute würden wir wohl eher von einem Facelift reden.

Die runden Frontleuchten des Rekord A werden damals eckig (ein Teaser zum kommenden Rekord C inklusive der Chromleisten), dafür fliegen die eckigen Heckleuchten zugunsten der runden Rückleuchten raus. "Bäumchen, wechsel dich!" - Ach nee, das war nicht Herberger, das war ein Kinderspiel.

Zudem gönnen die Rüsselsheimer dem B eine verbreiterte Spur und bei allen Varianten eine serienmäßige Zweikreis-Bremsanlage mit Scheibenbremsen vorn, inklusive Bremskraftverstärker. Kleiner Spoiler: im Vergleich zu heutigen Standards fühlt sich das immer noch an, als würde man höchstpersönlich den Kolben auf die Bremsbeläge drücken.

Die Elektrik wird vor 60 Jahren für alle Varianten auf 12 Volt umgestellt. Vorher war das lediglich dem Rekord L-6 von 1964 und seinen Kollegen Kapitän, Admiral und Diplomat A vorbehalten. Innen gibt es nun serienmäßig Einzelsitze, deren Lehnen allerdings nicht verstellbar sind. Die CIH-Vierzylindermotoren im Rekord B sind Neukonstruktionen und ersetzen die alten OHV-Triebwerke, die schon im 1937er Opel Olympia ihren Dienst verrichteten.

Drei Reihenvierzylinder-Benziner, aufgeteilt in 1500, 1700 S und 1900 S, liefern 60, 75 und 90 PS. Die ersten beiden werden von einem Fallstromvergaser versorgt, letzterer von einem Register-Fallstromvergaser. Für die Topmotorisierung hat sich dann auch Weltmeister Herberger entschieden. Ganz schön viel Aufwand für ein Facelift. 

Standesgemäße Eleganz für einen Fußballtrainer

Bei der flachen und langgezogenen Karosserie des Opel Rekord B ist es heutzutage kaum vorstellbar, dass Herbergers Vehikel nur 4,55 Meter lang sein soll. Das ist irgendwo zwischen Astra und Astra Sports Tourer. Zahlen der Kompaktklasse, nicht der Mittelklasse oder oberen Mittelklasse, denen der Rekord zugeordnet wird. Aber dennoch steht der Rüsselsheimer mit seinem Radstand von 2,64 Metern stattlich weltmeisterlich da.

Diesen Auftritt feiert der Rekord vor allem wegen des langen Überhangs am Heck und der simplen, aber wirkungsvoll schlichten Designsprache an den Seiten: Eine gerade Linie vom Frontscheinwerfer zur Heckleuchte zeichnet in einer parallelen Bewegung eine derartige Dynamik in das Auto, als hätte sie Helmut Rahn mit seinem trockenen geraden Schuss zum 3:2-Siegtreffer gegen Ungarn höchstpersönlich in die Karosserie geschossen. 

Ansonsten wird jede Linie und jedes Anbauteil von Chromleisten in Szene gesetzt. Besonders schön, die filigran gearbeiteten Radläufe, die Moon-Caps (Chrom-Radkappen) auf den Rädern, der linke Chromspiegel und die ipsigen Türgriffe. Der Rekord B strotzt nur so vor liebevollen Details: seien es die geschwungenen Schriftzüge, die angebauten Zusatzscheinwerfer, die hübsch eingerahmten Heckrundleuchten oder die aufgesetzten Frontblinker.

Nun hat die deutsche Fußballnationalmannschaft 1954 ja nicht gerade durch einen eleganten Fußball auf sich aufmerksam gemacht. Jedoch ist sie schon damals die schnörkellos hart arbeitende Mannschaft mit den oft beschworenen deutschen Tugenden aus Kampf und Fleiß. Dessen talentierte Einzelspieler versprühen jedoch sehr wohl einen Hauch von Eleganz, die Herberger durchaus zu fördern wusste.

Eventuell passt der Rekord auch deshalb so gut zu ihm. Ein ehrlicher robuster Arbeiter mit einem leicht funkelndem Hauch von Premium. Vielleicht sollte Opel einen Omega-Nachfolger auflegen, damit auch der aktuelle Nationaltrainer, Julian Nagelsmann, standesgemäß Autos aus Rüsselsheim fahren und seinen VW ID. Buzz GTX und das Jaguar F-Type Cabrio auch mal in der Garage stehen lassen kann.

"Das Runde muss ins Eckige"

Auch im Innenraum setzt sich das Bild aus gerader Linie und verschnörkelten Details fort. Ein echter Hingucker ist das Tachoband, das die gefahrene Geschwindigkeit von links nach rechts anzeigt und jeweils bei 50 und 100 km/h die Farbe von grün auf orange in rot wechselt. Das Lenkrad ist aufgrund der Abstinenz von jeder erdenklichen Unterstützung kurbelfreundlich groß gehalten. Der untere Chrom-Ring wird zum Hupen verwendet. 

Ansonsten erstrahlt das Armaturenbrett in Wagenfarbe funktional schlicht mit den wichtigsten Hebeln und Schaltern. Ein Becker Mexico TR sendet auf Wunsch die wichtigsten Fußballergebnisse. Auf dem Handschuhfach prangt eine Hommage an olympische Tage.

Geschaltet wird über einen Ganghebel rechts am Lenkrad, die Handbremse wird wie ein Spazierstock aus dem Auto gezogen (bitte kräftig, sonst rollt der Rekord einfach weiter). An den hinteren Türen prangen gar verchromte Aschenbecher - die Prioritäten der 1960er-Jahre halt.

Gesessen wird vorne erstmals serienmäßig auf Einzelsitzen. Die gab es beim Rekord A nur gegen Aufpreis. Mehr Seitenhalt als eine Bank bieten sie dennoch nicht. Auch die Auflagefläche ist nach heutigen Standards eher sparsam gewählt. Und falls Sie jetzt Gurte auf den Bildern vermissen, die Gurtpflicht für die vorderen Sitze wurde erst 1976 in Deutschland eingeführt - also ganze zehn Jahre nachdem der gute Seppl sein Auto erwarb.

Dafür sinkt man nach einiger Zeit wie auf Omas Fernsehsessel ein und rollt sich zu einer Art Igelschutzposition zusammen. Die Sitze sind zwar ultragemütlich, die Sitzposition ist der körperlichen Ergonomie nach etlichen Oldtimerfahrtenkilometern jedoch nicht förderlich. Zum Glück muss das Runde auch mal aus dem Eckigen, um an diversen Spaßaufgaben teilnehmen zu können. Das wäre sicher ganz im Sinne von Sportlehrer Herberger gewesen.

Die Räder sind rund und eine Etappe dauert 200 Kilometer

Ist der Rekord B kalt, werden mit einer Handvoll beherzter Tritte auf das Gaspedal die Vergaserkammern geflutet, damit der Rüsselsheimer Oldie genug Saft bekommt, um aufzuwachen. Die Kaltlaufphase einmal überstanden, brummt der 1,9-Liter-Vierzylinder vergnügt und stabil vor sich hin. Bei schnellerer Fahrt gerne auch mal lauter. So überlegt man sich jedes überflüssige Wort zumindest dreimal. 

Bei um die 1.000 Kilogramm Gewicht ist Herbergers 90-PS-Variante definitiv ausreichend motorisiert, um die weltmännische Karosse auf Touren zu bringen. Der Schaltvorgang braucht mit der Lenkradschaltung zwar etwas Zeit und Präzision, aber wir rollen ja auch in einer Reiselimousine durch Thüringen. Hier gibt es keine Eile.

Das Fahrwerk schluckt unebene Straßen und Kopfsteinpflaster erstaunlich gut weg und gleicht sie durch eine angenehm schwingende aber nicht großartig nachschwippende Karosserie gediegen aus. Logisch, dass des Weltmeisters Gefährt trotz kompakter Maße kein Kurvenräuber ist, dafür kündigt er durch eine nach außen schiebende Vorderachse früh seine Grenzen an.

Der Opel Rekord B mag entschleunigte gleichmäßig balancierte Fahrten, zumal die Bremse trotz großem körperlichen Kraftaufwand keine Wunder vollbringt. Halten konnte Weltmeister-Torhüter Toni Turek dann offensichtlich doch besser. Damit also nach dem Spiel auch vor dem Spiel ist, sollte stets taktisch vorausschauend gefahren werden. Denn im Rekord B fahren die fahrwerkstechnischen Ahnen des A trotz verbreiteter Spur stetig mit. Heißt: Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern mit Schraubfedern vorne und Starrachse mit halbelliptischen Blattfedern hinten. Letztere kam schon im P2 zum Einsatz. Also Contenance bewahren.

Aber keine Sorge, das geschieht ohne Sicherheitsgurte und mit der Ausflugsdampferlenkung (reichlich Spiel beim Kurbeln) ganz automatisch. Genauso wie der antrainierte Griff an die B-Säule bei der Suche nach einem Gurt.

Aus heutiger Sicht ist es jedoch eine visuelle Pracht, diesen Opel Rekord zu bewegen. Durch seine großzügigen Fensterflächen und die eckige Karosserie, sind die Außenmaße zu jeder Zeit abschätzbar. Unser Versagen in den Zentimeter-genauen Abstandsprüfungen hatte andere Gründe ... wirklich!

Fun Fact: Es ist schwerer, den rechten Fuß nach der Fahrt im Opel Rekord B an eine sanfte Bremsung im 2025er-Pkw zu gewöhnen, als andersrum.

Wenn Sie jetzt denken: Ach, so ein Rekord B in der Garage, das wäre schon ein schmuckes Ausflugfahrzeug, dann gebe ich Ihnen recht. Immerhin hat Opel in nicht mal einem Jahr 296.000 Exemplare auf die Straßen gebracht. Vielen hat der Rost zugesetzt, überlebt haben vor allem die Coupé-Varianten. Viertürer und Kombis sind schwieriger zu finden.

Aber bei intensiven Suchen lassen sich noch immer ordentliche Exemplare für um die 10.000 Euro finden. Und jetzt vergleichen sie diese Zahl gerne mit Oberen-Mittelklasse-Wagen der Konkurrenz. Noch immer ein echter Oldie-Geheimtipp - auch ohne Weltmeister-Trainer im Fahrzeugschein.

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