Guter Preis! Aber auch gute Leistung des Tiguan-Rivalen?
Die turbulenten Zeiten um Ssangyong, Mahindra und KGM sind vorbei. Eine Insolvenz ist abgewendet, der Überbrückungskredit vollständig beglichen und die Namensänderung von Ssangyong auf KGM wurde bereits 2023 vollzogen. Zeit also, das Dead-Naming endlich dranzugeben, die alten Kamellen dem örtlichen Karnevalsumzug zu hinterlassen und sich mit neuen KGM-Modellen zu beschäftigen.
Und so ein Neuanfang unter frischer Flagge bietet ja nicht nur Verwirrungspotenzial, sondern setzt auch die Möglichkeit, sich frisch aufzustellen. Und genau das wagt KGM (Englisch ausgesprochen) mit dem neuen Actyon. Den Namen gab es zwischen 2006 und 2018 schon einmal, jedoch spielte das südkoreanische SUV nur eine untergeordnete Rolle hierzulande.
KGMs neuester Schützling soll mit einer "sportlich-eleganten Optik die Blicke auf sich ziehen": Eine ansprechende moderne Optik, ein subtiler Lifestyle-Anstrich, übersichtliche Paketoptionen mit einigen Komforteigenschaften und das zu einem unschlagbaren Preis.
So will sich KGM auch mit dem Actyon neu am Markt positionieren. Und das mit einer firmeneigenen Präsenz in Europa, inklusive Händler- und Servicenetz. Damit sollen also auch Zweifler von der kundennahen Fürsorge überzeugt werden. Jetzt muss also nur noch der Neustart des C-D-Segment-SUVs gelingen. Und das zum Start lediglich mit einem 1,5-Liter-Turbobenziner gegen die elektrifizierte und dieselgetriebene Konkurrenz. Ob das reicht?
Springen Sie direkt zu:
Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preise und Konkurrenz | Fazit
Laut KGM haben wir es beim Actyon mit einem SUV-Coupé zu tun. Und ja, ich kann den Gedanken bei der abfallenden Dachlinie und dem leichten Schrägheck schon nachvollziehen. Aber nee, ein Coupé steht hier absolut nicht. Eher ein wuchtiges SUV mit eleganter Linie und robusten Statements.
Ein SUV, das sich gerne aktueller Trends bedient: schlanke Leuchten, Lichtbänder, harte Kanten und Brüche. Der KGM Actyon wirkt durchaus modern und das hat er seinem Vorfahren, der noch ein kräftigeres Coupé-Heck trug, meilenweit voraus. Der wirkte schon immer etwas speziell, auch wenn er technische Zusammenarbeiten mit Mercedes nachweisen konnte.
Zudem trägt der Actyon an der Front und am Heck seine Herkunft stolz spazieren. Sowohl an der Front, als auch an den Heckleuchten sind die sogenannten Trigramme der südkoreanischen Nationalflagge zu erkennen. Sie stehen für Himmel, Wasser, Feuer und Erde und symbolisieren am Actyon seine robuste Outdoor-Affinität.
Genau in dieses Feld spielen auch die Griffe auf der Haube, die keinem aerodynamischen Nutzen dienen, sondern bei Outdoor-Aktivitäten zu Befestigungszwecken hilfreich zur Seite stehen sollen. Im Pott würden wir salopp dazu sagen: Is dat Kunst oder kann dat wech?
Insgesamt stellt das C-D-Segment-SUV eine großzügige Länge von 4,74 Meter zur Verfügung. Die sind mit der überdimensionalen C-Säule und der schräganliegenden Heckscheibe mit dem Blick nach hinten gerichtet nicht gerade sehr unübersichtlich gestaltet. Ebenfalls modern und groß steht der Südkoreaner immer auf mindestens 20 Zoll großen Rädern.
Im Innenraum will KGM einiges an Komfort und Raum für die unternehmungslustige Familie bieten. Raus aus der Stadt, rein ins Abenteuer. Aber elegant und urban bitteschön. Dafür gibt es wie bei Hyundai und Kollegen ein Panorama-Display aus zwei 12,3 Zoll messenden Bildschirmen.
Der Umgang mit dem Infotainment wirkt zuweilen zerfahren, unstrukturiert und langsam. Zudem kommt eine Navigationsstimme zum Einsatz, die so langsam und abgehackt spricht, wie ich es schon Jahre nicht mehr gehört habe.
Das Armaturenbrett ist hingegen schlicht gehalten. Der Lüftungseinsatz zieht sich mit Ausnahme des Displays komplett über die ganze Breite. Physische Bedienelemente befinden sich vorwiegend am Lenkrad und den Lenkstöcken. Wirkt übersichtlich und reicht für die wichtigsten Funktionen aus.
Die fußballerische Sechseckform des Lenkrads ist ebenfalls unkonventionell - gerade, wenn man dieses beim Abbiegen durch die Hände gleiten lässt, fühlt sich das etwas holprig an. Generell offenbart der genaue Blick einige Mängel in der Verarbeitung und bei der Qualität. Die Taschen an der Seitenverkleidung sind mit dünnem Hartplastik gestaltet, die Einstellungsnippel am Lenkrad wirken etwas instabil und die Materialmix offenbart hier und da etwas unsaubere Übergänge.
Auffälliger scheinen diese Punkte in der sandfarbenen Ausstattung auf den Fotos. Wer die dunkle Ausstattung mit den roten Nähten wählt, kann die meisten Fehler verdecken. Schwarz kaschiert!
Punkten kann der KGM Actyon hingegen beim Raum und dem Sitzkomfort. Das nominelle Kofferraumvolumen kann mit 668 Litern bei den Konkurrenten um Sorento, Santa Fe, Kodiaq, Tayron und dem kürzeren Bigster mithalten. Mit umgelegter Rückbank fehlt bei 1.568 Litern dennoch einiges an Stauraum.
Dafür ist im Fond ordentliche Beinfreiheit gegeben - dank der doch eher sacht abfallenden Dachlinie ist auch über dem Kopf ausreichend Luft. Vorne findet sich mit guter Polsterung und vielen Einstellungsmöglichkeiten immer eine angenehme Sitzposition.
Fahrtechnisch setzt der KGM Actyon dann auch eher auf Komfort. Bei gemächlichem Reisetempo liegt der Große gut in der Spur und nimmt leichte Korrekturen gerne wahr. Wird der Straßenbelag etwas fordernder, die Streckenführung etwas kurviger, muss am Steuer mehr gearbeitet werden. So neigt der Actyon bei schnell angegangen Kurven gern zur Seitenlage, Richtungswechsel führen zu einem leicht schwammig, indirekten Fahrverhalten.
In solchen Situationen wirkt auch die Lenkung eher indirekt mit wenig brauchbarem Feedback von der Straße. Zwar zeigt der Koreaner dennoch gut schluckenden, nicht unnötig weichen Komfort, tiefere Schlaglöcher machen sich dennoch manchmal härter bemerkbar und sorgen an der Vorderachse zum Teil für ein Versetzen des Lenkrads. Anscheinend verliert der Actyon hier kurzzeitig die Bodenhaftung. Das kann die gesammelte Konkurrenz deutlich besser. Der aggressive Spurhalte-Assistent sollte auf Landstraßen definitiv ausgestellt werden.
Dabei klingt der Motor für einen kleinen Vierzylinder-Turbo zuweilen gut aufgelegt und launig. Nicht allzu spritzig aufgelegt mit seinen 168 PS, aber der Sache angemessen. Jedoch scheint das Automatikgetriebe bei der Geschwindigkeit des Schaltvorgangs dem Actyon vorzugeben, wie er sich zu verhalten hat ... mit Contenance!
Und wahrscheinlich ist das beim Blick auf den Verbrauch auch sehr vernünftig vom Automatikgetriebe, denn unser Testverbrauch lag im Schnitt bei 11,4 - 12,5 Litern. Hier zeigt sich vermutlich dann doch das Gewicht von 1.670 Kilo, für das der Vierzylinder kräftig werkeln muss. Weit weg von den angegebenen maximalen 9,0 Litern und damit auch schon auf dem Papier nicht mehr zeitgemäß. Das sind realistisch fast Land Rover Defender Octa Sphären. Aber der hat auch weitere vier Zylinder und knapp drei Liter mehr Hubraum zu füllen.
Den KGM Actyon gibt es in der Core-Ausstattungsvariante bereits ab 35.790 Euro. In der Bliss-Variante für 39.450 Euro ist das Automatikgetriebe bereits inklusive. Die Lux-Ausstattungslinie bietet für 42.250 Euro beispielsweise noch eine elektrische Heckklappe und eine Geschwindigkeitsregelanlage. Wer den von uns gefahrenen Allradler will, muss immer auch eine Automatik mitordern und zahlt mindestens 40.190 Euro.
Zum Vergleich: Ein Skoda Kodiaq startet bei 42.990 Euro (4x4: 48.200 Euro), der VW Tayron beginnt bei 45.475 Euro (4Motion: 50.770 Euro), ein Kia Sorento liegt bei 53.690 Euro (AWD: 60.690 Euro) und der Hyundai Santa Fe bei mindestens 56.700 Euro (AWD: 64.150). Wer sparen will, kann sich durchaus mal einen Dacia Bigster zu Gemüte führen. Der ist mit 4,57 Meter zwar kürzer, bietet mit 667 bis 1.937 Liter jedoch insgesamt mehr Stauraum und geht als Allradler bereits bei 27.990 Euro los.
Der KGM Actyon kann mit seinem stylischen Auftritt, seinen Komfortvorzügen und seinem Nutzfaktor punkten. Leider verspielt er seinen Auftritt beim Fahrwerk, der Verarbeitung und vor allem dem Verbrauch. Was hier durch den Kaufpreis eingespart werden kann, wird durch die Unterhaltskosten langsam an Vorsprung wieder aufgefressen.
Unser Tipp, auf den bereits angekündigten Plug-in-Hybriden warten und Preis-Leistung noch einmal neu bewerten, auch wenn der sich preislich sicher oberhalb des Benziners einordnen wird. Ich hätte hier gerne etwas anderes geschrieben, aber für das Gebotene gibt es mit dem Dacia Bigster, dem Skoda Kodiaq und auch dem BYD Seal U schon einige Kandidaten auf dem Markt, die zu einem ähnlichen Preis einiges bis vieles deutlich besser machen.